SPRECHEN SIE BESTAND? – Eine Übersetzungshilfe.

Kaum ein anderes Thema bewegt die Branche derzeit so sehr wie die Frage, wie wir mit dem Bestand umgehen – denn spätestens durch den enormen Anstieg der Kosten für den Neubau ist der Blick auf den Bestand groß geworden. Aber auch energie- und klimapolitische Herausforderungen führen dazu, den Immobilienbestand aus neuen Perspektiven zu betrachten.

Deshalb haben wir im Juni unsere Reihe ImmoTalk mit einer Diskussion zum Umgang mit dem Baubestand fortgesetzt. Mit dabei waren Sarah Dungs, Greyfield Group, Wiebke Ahues, Henning Larsen, Anastasija Radke, KVL Group und Luana Cortis von der KVL PE Plus. Im Zentrum stand dabei die Frage, wie wir den Bestand in allen Bereichen nachhaltig umwandeln können und welche Hemmschwellen dafür überwunden werden müssen. Fragen, die auch beim Anfang des Jahres gegründeten Verband für Bauen im Bestand (BiB) e. V. intensiv bearbeitet werden (s. dazu auch den Beitrag in diesem Blog).

So stellte Wiebke Ahues fest, dass wir mit der typisch deutschen Art, alles perfekt machen zu wollen, nicht weiterkommen. Unterschiedliche Beispiele aus der Praxis zeigen, dass auch kleine Schritte zählen, um gemeinsam einem Ziel näher zu kommen. Ihr Rat lautet: Lasst uns Prototypen schaffen!

Sarah Dungs wies darauf hin, dass viele Investoren und Projektentwickler sich vor den „Ja, Abers“ scheuen. So hört man häufig das Argument gegen das Bauen im Bestand, die Kosten im Bestand seien nicht transparent planbar. Ein wichtiger Punkt, weshalb sie auch die vom Verband Bauen im Bestand vorgeschlagene Lösung der BiB 276 erarbeitet hat. Angelehnt an die einschlägige DIN 276 für Neubau kann sie für Kostentransparenz auch im Bestand sorgen.

Vorhandene Flächen besser zu nutzen, ohne dass dabei Lebensqualität verloren geht, fordert Anastasija Radke. Dazu gehören Nachverdichtungen, ein Aspekt, der ihrer Meinung nach zu wenig Wertschätzung erfährt und nicht intelligent genug genutzt wird.

Für Luana Cortis besteht ein wichtiger Hebel zur nachhaltigen Ertüchtigung des Bestands bei planerischen und Finanzierungsthemen. Sie findet es nicht zeitgemäß, ein Gebäude nach Mietertrag multipliziert mit dem Kaufpreisfaktor zu bewerten und fragt, warum ein Gebäude nicht dann mehr wert ist, wenn man weiß, dass es lange hält, über den gesamten Lebenszyklus nur minimal CO2 emittiert und man es ohne viel Aufwand umbauen und umnutzen kann?

Als vorläufiges Fazit und quasi Übersetzung der oben gestellten Frage rief Anastasija Radke dazu auf, bei Lösungen den Fokus auf „little solutions“ und „Perma-Beta-Versionen“ zu setzen und lud alle Expert:innen dazu ein, sich bei deren Entwicklung zu beteiligen. Sarah Dungs ermunterte dazu, die eigenen „Ja, abers“ abzustreifen und zu einem positiven Mindset zu finden. Luana Cortis fordert von allen Beteiligten Respekt und Verständnis füreinander und Gebäude in erster Linie nach ihrer Nachhaltigkeit zu bemessen. Last but not least wies Wiebke Ahues darauf hin, dass neue Prototypen entwickelt werden und zu einer neuen politischen Haltung beim Umgang mit Bestand gefunden werden muss.

Klar ist, wir stehen erst am Anfang bei der Suche nach dauerhaften, nachhaltigen Lösungen für die Revitalisierung des Bestands. Doch das Potenzial für den Klimaschutz ist enorm. Da lohnt jeder Einsatz, ist er auch noch so groß!